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Privatgefängnisse: Rentabilität, menschliche Körper und der Strafvollzug. Vor welchen Herausforderungen steht unsere Gesellschaft?

  • 16 Kommentare
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Privatgefängnisse: Fakten, Daten und Zukunft.

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    Ein Privatgefängnis von Colorado. Ein Privatgefängnis von Colorado. Hier: Crowley County Correctional Facility, betrieben von der Nr. 1 der Branche: Corrections Corporation of America (CCA). Foto © Philippe Brault

    CCA, Geo Group et Cornell

    Bouygues, Eiffage, Gepsa, Siges, Idex Groupe, Vinci, Spie Batignolles

    Seit Mitte der achtziger Jahre ist die Privatisierung der Gefängnisse – zu 100% oder in Teilen – auf dem Vormarsch. Vorreiter waren die Vereinigten Staaten, derem Beispiel man inzwischen auf allen Kontinenten gefolgt ist. Die Diskussion zu dem Thema ist eröffnet!

    Die Privatisierung von Haftanstalten lässt sich in zwei Kategorien unterteilen:

    1. Die totale Privatisierung: Ein Unternehmen der freien Wirtschaft übernimmt zu 100% die Leitung eines Gefängnisses einschließlich der Überwachung der Häftlinge. Dieses Modell kommt zurzeit nur in den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und in Australien zur Anwendung.
    2. Eine Public Private Partnership (PPP): auch gemischter Betrieb genannt: Die öffentliche Hand tritt einen Teil des Gefängnisbetriebs an Privatunternehmen ab. Auch diverse Dienstleistungen (Großküche, Wäschereibetrieb, Reinigungsarbeiten, Gefängnissupermarkt) sowie die Wartung der Anlagen und Gebäude und sogar die Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen für die Häftlinge wie auch die Leitung von Gefängniswerkstätten können Privatunternehmen übertragen werden. Neuerdings umfasst diese Partnerschaft auch den Bau der Anstaltsgebäude. Im Jahre 2009 wurden in Frankreich 38 von insgesamt 194 Haftanstalten gemischt betrieben.

    Auch wenn die schleichende Privatisierung weltweit unterschiedliche Formen annimmt, sind die Gründe dafür immer die gleichen: rasanter Anstieg der Insassenzahlen, Überalterung der bestehenden Anlagen, Kürzung der öffentlichen Mittel...

    In den Vereinigten Staaten

    Die USA ist das erste Land, das Privatgefängnisse eingeführt hat. Schon im Jahr 1984 wurde dort mit der Eröffnung eines 100% privat geführten Gefängnisses – Überwachung inbegriffen - der erste Schritt in diese Richtung unternommen. Trotz vehement geäußerter Vorbehalte, auch seitens des Kongresses, der auf mögliche Interessenskonflikte zwischen Rentabilität und Haft verwies, erlebte der Sektor einen Boom. Im Jahr 2006 waren ca. 7 bis 10% der Gefängnisplätze in den Vereinigten Staaten in der Hand privater Unternehmen. (Quick facts about prison privatization [PDF]). Ausschlaggebend für deren Wirtschaftlichkeit ist die Anzahl an Häftlingen. Heute beläuft sich der Tagesdurchschnitts-Tarif pro Häftling auf ca. 55 Dollar. Dieser Betrag ist vertraglich festgelegt und wird von den verschiedenen amerikanischen Bundesstaaten an die privaten Betreiber von Haftanstalten gezahlt.

    In den neunziger Jahren sorgt die Privatisierung für Aufregung in den Medien. Vor allem als zwei Richter, die Häftlinge in Privatgefängnisse eingewiesen hatten, überführt werden, dafür Bestechungsgelder entgegengenommen zu haben, worüber Frank Smith in unserem Film Prison Valley berichtet.

    Die Gegner der Privatgefängnisse werfen ethische Argumente, denen in diesem Land ein hoher Stellenwert beigemessen wird, in die Diskussion. Manche sehen in der Privatisierung von Gefängnissen eine Rückkehr zu Versklavungs- und „convict leasing“-Praktiken (Bereitstellung von Haftleiharbeitern durch den Staat an Privatunternehmen).

    Andere sehen die Privatgefängnisse heute zu Zeiten der Kürzung öffentlicher Gelder in Amerika als Alternativlösung an.

    Die Privatgefängnisse beherbergen meist keine Häftlinge, die als hochgefährlich eingestuft sind. Sie beteuern, eine niedrigere Belegungsrate als die öffentlichen Anstalten und ein Verhältnis zwischen Personal- und Häftlingszahlen zu haben, das dem Durchschnitt entspricht. Zahlreiche Gewerkschaften und politisch engagierte Personen, die wir in Denver und in Cañon City (Colorado) gesprochen haben, bestreiten dies jedoch.

    Zwei Drittel des Sektors werden von zwei Giganten dominiert:

    • Corrections Corporation of America (CCA): Der 1983 in Nashville (Tennessee) gegründete Konzern betreibt 63 Strafvollzugsanstalten und besitzt 44 Anstalten (verteilt auf neunzehn Bundesstaaten), was insgesamt 85.000 Plätze ausmacht. Die CCA stellt sich gern als das „viertgrößte Unternehmen auf dem Sektor des amerikanischen Strafvollzugs, direkt hinter der US-Regierung und zwei Bundesstaaten“ dar. Am 31. Dezember 2009 belief sich der Nettogewinn der CCA auf 155 Millionen Dollar, bei einem Umsatz in Höhe von 1,584 Milliarden Dollar. Die CCA wird seit 1994 an der New York Stock Exchange gehandelt. Trotz wiederholter Anfragen lehnte sie jegliches Gespräch mit uns ab.
    • Geo Group (ex-Wackenhut): Der Konzern betreibt 61 Strafvollzugsanstalten mit insgesamt 60.000 Plätzen und 13.000 Angestellten und bezeichnet sich als „weltweiten Leader auf dem Gebiet der Strafvollzugsdienstleistungen“. Die Geo Group hat Niederlassungen in Australien (seit 1991), im Vereinigten Königreich (seit 1994), in Südafrika (seit 1999), auf Kuba und in Kanada. Die Geo Group, die Nr. 2 des Privatgefängnissektors, hatte 2008 einen Nettogewinn in Höhe von 58,9 Millionen Dollar zu verzeichnen.
    • Ein dritter Konzern namens Cornell verzeichnete 2008 einen Nettogewinn in Höhe von 26 Millionen Dollar. Die 1996 in Delaware gegründete Strafvollzugsbranche dieses Konzerns beschäftigt über 4000 Mitarbeiter in fast 70 Anstalten.

    In Frankreich

    Hier gibt es zwar nur eine Teilprivatisierung, aber die ist im Vormarsch. Für den Privatsektor geöffnet wurden die Gefängnisse durch das Chalandon-Gesetz vom 22.Juni 1987. In die gleiche Richtung weist das 2002 verabschiedete Gesetz LOPJ (Loi d’orientation et de programmation pour la justice), das eine Modernisierung des Haftanstaltsparks anstrebt (13.200 Plätze) - Budget: 1,4 Milliarden Euro.

    Kraft dieses Gesetzes können alle Bereiche, die nicht unter die staatshoheitlichen Funktionen fallen (ausgenommen sind also die Leitung der Gefängnisse, die Überwachung der Häftlinge und die Beurkundung) in öffentlich-privater Partnerschaft an Privatunternehmen übergeben werden. Alles andere, einschließlich Planung und Bau bestimmter Gefängnisse, kann privatisiert werden. Diesbezüglich verpflichtet sich der Staat dann, je nach Höhe der Baukosten über lange Jahre Mietzahlungen zu leisten.

    Missstände in der Planung solcher halbprivaten Gefängnisse, wie z.B. ein defektes Schließsystem in Roanne oder ein defektes Stromversorgungssystem in Mont-de-Marsan, das im Dezember 2008 zum Ausfall der Beleuchtungs-, Heiz-, Videoüberwachungs-, Telefon- und Türöffnungsanlagen geführt hatte, sorgten für Kritik. Es werden viele Stimmen laut, denen zufolge Rentabilitätsbestrebungen nicht mit den Qualitätsanforderungen zu vereinbaren sind.

    Erst kürzlich wurden sogar Pläne und Sicherheitscodes eines neuen Gefängnisses entwendet. Sie befanden sich in vier Laptops eines namhaften Bauunternehmers.

    Die Unternehmen, denen diese Öffnung für den privaten Sektor zugute kommt, gehören in den meisten Fällen dem Bau- oder Energiebereich an. Sie stellen ein Oligopol dar, zu dem folgende Firmen gehören:

    • Bouygues: Die Bouygues-Filialen DV Construction, GTB Construction und GFC Construction haben in Frankreich ein halbes Dutzend Haftanstalten gebaut, so z.B. in La Farlède (Var), Chauconin-Neufmontiers (Seine et Marne) und Liancourt (Oise). Das weltweit führende Bauunternehmen hat 2005 einen Vertrag über 140 Millionen Euro für den Bau der Haftanstalten in Mont-de-Marsan (Landes), Bourg-en-Bresse (Rhône-Alpes) und Rennes (Ille-et-Vilaine) unterzeichnet (Pressemitteilung [PDF]). 2008 hat Bouygues den Bauvertrag für die Anstalten in Nantes (Loire-Atlantique), Annoeullin (Nord) und Réau (Seine-et-Marne) ergattert (Pressemitteilung [PDF]), womit Mietzahlungen über 27 Jahre in Höhe von 40 Millionen Euro brutto einhergehen.
    • Eiffage: Die Nr. 3 des französischen Hoch- und Tiefbaus unterzeichnete 2006 ihren ersten Vertrag über den Bau von vier Haftanstalten (in Roanne, Nancy, Lyon-Corbas und Béziers), von denen die erste im Sommer 2008 öffnete. Für die Anstalt in Nancy-Maxéville, die auf 69 Millionen Euro geschätzt wird, wird der Staat an den privaten Auftragnehmer fast über drei Jahrzehnte hinweg eine Jahresmiete in Höhe von 9 Millionen Euro zahlen. Liste der Konzessionen und PPP von Eiffage
    • Gepsa: Eine Filiale von Cofely, die wiederum eine Filiale von GDF-Suez darstellt. Eigenen Angaben der 1990 gegründeten Firma zufolge, die sich als Spezialist des Facility Management bezeichnet, ist Gepsa einer der wichtigsten Partner der Strafvollzugsverwaltung. Sie ist am gemischten Betrieb von fünfzehn Einrichtungen beteiligt. (Quelle).
    • Siges: Eine Filiale der Sodexo-Gruppe. Sie ist zurzeit in sieben Einrichtungen in Nordfrankreich vertreten. Auf ihrer Homepage unterstreicht sie: Wir lehnen es strikt ab, in Ländern tätig zu werden, in denen die Todesstrafe verhängt wird. Deswegen ist Sodexo beispielsweise nicht in den Vereinigten Staaten tätig.
    • Idex: Der wichtigste unabhängige französische Energie- und Umweltdienstleistungskonzern ist auch auf dem Gebiet des Facility Management tätig. Idex ist maßgeblich am Bau der neuen Haftanstalten, die in Poitiers und Le Mans in Betrieb genommen wurden bzw. die in Le Havre bald in Betrieb genommen wird, beteiligt. (Quelle).

    Aber auch andere französische Größen des Baugewerbes wie Spie Batignolles und Dumez (Vinci Construction), fassen auf diesem aufstrebenden Markt Fuß.

    Weiterer Streitpunkt: Tätigkeit und Berufsausbildung, die den Häftlingen in diesen Anstalten angeboten werden. So soll in Einrichtungen für Untersuchungsgefangene und kurze Strafen der Mindeststundenlohn bei 3,27 Euro und bei 3,54 Euro in Strafvollzugsanstalten liegen, während er nach allgemeinem Arbeitsrecht 7,61 Euro beträgt. Der Wirtschafts- und Sozialrat (Conseil économique et social) hat 2006 diesbezüglich in den Privatgefängnissen herrschende Mängel aufgezeigt. Dies veranlasste Gonzague Rambaud und Nathalie Rohmer in ihrem Buch Le Travail en prison (Arbeit im Gefängnis) [Éditions Autrement, Januar 2010] zu folgender Schlussfolgerung: Indem das Justizministerium Privatunternehmen die Schlüssel der in den nächsten Jahrzehnten zu bauenden Haftanstalten anvertraut, beschert es multinationalen Firmen ein gewinnbringendes Geschäft (…). Ein Vorteil für die Häftlinge hinsichtlich Arbeit und Berufsausbildung lässt sich nur schwer ausmachen, wenn man von einer Werbekampagne absieht, in der der außergewöhnliche Werdegang einer kleinen ausgesuchten Schar von Häftlingen dargestellt wird. Nach zwanzig Jahren Privatisierung muss man feststellen, dass der Privatsektor keinesfalls bessere Ergebnisse erzielt als die Strafvollzugsbehörde selbst: Sowohl das Angebot an qualifizierender Arbeit als auch Anzahl und Qualität der Berufsausbildung lassen in den Privatgefängnissen in gleichem Maße zu wünschen übrig.

    Weitere Informationen – Vereinigte Staaten

    Weitere Informationen - Frankreich

     
    Gepostet von David Dufresne Prison Valley Team
    am 21/04/2010 (bearbeitet am 26/04/2010)
    Sollte etwas fehlerhaft oder unklar sein, kontaktieren Sie das Prison Valley-Team.
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    Ich lehne Privatgefängnisse im aktuellen Umfeld ebenfalls rigoros ab. Weltspiegel das Magazin der ARD brachte erst kürzlich etwas über Jugendliche, die mit überzogenen Haftstrafen an Privatgefängnisse "verkauft" wurden oder deren Strafverkürzung wiederrechtlich ignoriert wurde.
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    Mit Rechtsstaatlichkeit haben "PRIVATGefängnisse" ja herzlich wenig zu tun. Sobald der Staat jegliche Verantwortung und Kontrolle bezüglich der Insassen an Private abgibt (wobei die Bezeichnung "weltweiter Leader auf dem Gebiet der Strafvollzugsdienstleistungen" schon fast pervers ist!), kommt es zur oben erwähnten Bestechlichkeit von Richtern und anderen staatlichen (ursprünglich UNABHÄNGIGEN) Institutionen.
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    Es ist schon traurig, dass Menschen (Jugendliche) in Privatgefängnisse geschickt werden, weil sie "rentabel" sind.
    Das ist doch alles ein ständiger Kreislauf. Gefängnisse die Insassen "beherbergen", die wiederrum Zellen für andere Gefängnisse bauen. Also von Resozialisierung kann man hier ja wohl nicht sprechen.
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    Frankreich, USA - soso. Allenthalben könnte man sagen, diese Gesellschaften sind auf dem Weg das höchste Ideal des Kapitalisten, die völlig entfremdete Arbeit von weitgehend entrechtetem "Humankapital" staatlich sanktioniert in Profit zu wandeln, umzusetzen. Wir Deutschen haben diese Werte schon vor Jahrzehnten gründlichst umgesetzt und vorgelebt. Die "Altäre des Kapitalismus" (Heiner Müller) sind noch immer zu bestaunen. Schaut nach Buchenwald und Auschwitz!
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    Wie viele Privatgefängnisse gibt es eigentlich in Deutschland?
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    Wenn man sich das hier anschaut dann fehlen einem die Worte. Ich kann mich da den Vorrednern nur anschließen: Die Tatsache, dass es Privatgefängnisse gibt es extrem schockierend und traurig.Auch für mich stellt sich die Frage, wie es in Deutschland aussieht.
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    alles nachzulesen im internet: Deutschland hat auch praivat gefängnisse: http://www.shortnews.de/id/545485/Erstes-Privat-Gefaengnis-in-Deutschland-betreibt-eine-englische-Firma; http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,463009,00.html Absoluter Skandal und keinen kümmerts!
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    Vorhin ging es um die Frage was wir unter Angst verstehen oder empfinden und ich komme jetzt der Antwort näher. Angsterregend ist die Möglichkeit in einem Polizei-Un-Rechtstaat verhaftet zu werden nur weil jemand davon profitieren kann (private Leitung der Gefängniswerkstätten praktisch ohne Arbeitskosten). Abgeordnete und Richter werden bestochen um die Strafen zu erhöhen! Wenn das kein Alptraum ist...
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    Kinder werden wegen Taten, für die sie eigentlich nur ein paar Stunden Nachsitzen in der Schule verdient hätten, jahrelang eingesperrt. Solche Aussagen hatte ich erwartet, als ich auf diese virtuelle Reise ging.

    Was bleibt ist der Traum, dass Menschen die Mtmenschen so etwas antun, einmal selber hinter Gittern sitzen und dort um Gnade flehen.

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